NewsWarum sich die Pharmaindustrie mit BPMN beschäftigen sollte

18. Oktober 2022by Katharina Paulick
Lesedauer 6 Min
5
(4)

Hohe Ausgaben, unzählige Vorschriften und zahlreiche Misserfolge machen Investitionen in die Entwicklung von Arzneimitteln sehr risikoreich. BPMN-basierte Lösungen erhöhen die Prozessreife und reduzieren die Komplexität. Das Ergebnis sind reduzierte Kosten und höhere Erfolgsquoten bei der Arzneimittelentwicklung.

Hintergrund für Nicht- Pharma-Kenner

Das Scheitern von neuen potenziellen Arzneimitteln ist mit einer Misserfolgsquote von 90 % eher eine Wahrscheinlichkeit als ein Risiko. Die Gründe dafür sind häufig Probleme bei der behördlichen Zulassung, die Patientenrekrutierung oder eine nicht ausreichende Wirkung.

Eine hohe Misserfolgsquote ist bei Produkten, die auf wissenschaftlichen Innovationen beruhen, keine Seltenheit. Zusätzlich erhöht die starke Regulierung in der Pharma-Branche die Misserfolgsquote. Daraus resultiert die Notwendigkeit, die Prozssen in besonderem Maße zu standardisieren bzw. mit einem hohen Reifegrad auszustatten. Aufgrund dieser besonderen Ansprüche an die Prozessqualität eignet sich kaum eine Branche besser für die Digitalisierung und Automatisierung ihrer Prozesse.

Die durchschnittlichen Kosten der Arzneimittelentwicklung einer Therapie werden auf 1336 Mio. USD geschätzt, einschließlich fehlgeschlagenem R & D, klinischer Studien und Kapitalkosten. Ein ganzheitlicher Ansatz zur intelligenten Automatisierung von Produktionsprozessen basierend auf BPMN kann die Einhaltung von regulatorischen Anforderungen sicherstellen und zusätzlich einen Beitrag zur Kostenreduktion leisten.

Die Vorteile sind dabei offensichtlich: Durch BPMN-basierte Automatisierung von Prozessen werden Ressourcen gespart, die Produkte erreichen schneller Marktreife (Ideation-to-Realisation, Time 2 Market) und ein nachhaltig orientiertes Geschäftsmodell erleichtert eine Finanzierung

Die Anforderungen haben sich geändert

Die Industrie steht vor immer größeren Herausforderungen: Der Arzneimittelhersteller muss sicherstellen und nachweisen, dass der Produktionsprozess das Produkt in immer gleicher Qualität herstellt; die Abläufe müssen aus ökonomischen und ökologischen Gründen effizient und zum Zwecke der Validierung durch die Behörden nachvollziehbar sein. Die Prozessdokumentation muss entsprechend der verschiedenen Richtlinien der Zielmärkte erfolgen, was oft mehrere Dokumentationen für ein Produkt bedeutet. In vielen Fällen definieren Behörden wie die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) und die europäische European Medicines Agency (EMA) Zulassungsrichtlinien für die Zielmärkte, aber auch für die Herstellung am Produktionsstandort.

Der Markt

Ökonomische, ökologische und soziale Nachhaltigkeit (gemäß WHO-Nachhaltigkeitsziele) ist hier die Triebkraft für Innovation: Sechsundfünfzig neue Therapien wurden 2021 zugelassen, und die Vielfalt der neuen Produkte – von Gentherapien oder Biosimilars bis hin zu Small Molecules – zeigt, dass in der Vergangenheit viele verschiedene Produktions- und Geschäftsprozesse etabliert wurden und auch in Zukunft notwendig sein werden, um die Validierungsanforderungen der Behörden zu erfüllen.

Von der Industrie wird erwartet, dass sie nachhaltiger agiert. Das bedeutet, dass sie ihre Produkte weltweit anbietet, um den globalen Zugang zu Arzneimitteln zu gewähren. Der globale Bedarf entsteht durch Patienten, die eine geeignete Behandlung benötigen. Die Sicherstellung der Versorgung unterscheidet die Pharmaindustrie von anderen Branchen.

Aufgrund der bald geltenden EU-Berichtsvorschrift für nachhaltige Investitionen müssen die Prozesse der Firmen auf die Erfüllung von Nachhaltigkeitskriterien ausgerichtet sein, da sie sonst einen erschwerten Zugang zu Finanzierungen haben.

Zusätzlich zu den Berichtsvorschriften, die ein Game Changer in Richtung einer nachhaltigeren Industrie sein werden, wird der Wandel zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell von Presse, Politik und Gesellschaft erwartet und durch verschiedene Rankings gefördert.  Auch die regulatorischen Behörden erwarten eine nachvollziehbare Vorhersage der Erfolge von ressourcensparenden Maßnahmen.

Wie geht man Nachhaltigkeit und Digitalisierung am besten an?

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Leitfaden zur Förderung von Gesundheit und nachhaltiger Entwicklung veröffentlicht und sieht digitale Transformation, Lean Leadership und Innovation als Werkzeuge, diese Ziele zu erreichen.

Voraussetzungen für die digitale Transformation

  1. Labor- und Geschäftsprozesse müssen konsistent, nachvollziehbar, automatisiert, dokumentiert sein und zukünftige Kennzahlen vorhersagen können.
  2. Verschiedene internationale regulatorische Anforderungen müssen erfüllt und schnell an neue Anforderungen angepasst werden.
  3. Prozesse müssen mit der kommenden EU-Taxonomie für nachhaltige Maßnahmen konform gehen.
  4. Im Zuge der Digitalisierung müssen die noch komplexeren Datenmengen kontrolliert werden (Stichwörter Internet of Things, Knowledge Management, Data Science, Data Integrity by Design, …).

BPMN-basierte Automatisierung ist Voraussetzungen für ein nachhaltiges Geschäftsmodell

BPMN-basierte Automatisierung bietet die Möglichkeit, Prozesse intelligent zu steuern und die pharmazeutische Produktion auf maximale Effizienz zu bringen. Die Beschleunigung durch modellbasierte Prozesse entlang der Wertschöpfungskette und die Verwendung eines internationalen Standards für die Modellierung von Geschäftsprozessen ist der Schlüssel zu Data Integrity by Design.

Die Object Management Group (OMG) hat eine leicht verständliche Notation zur Gestaltung, Implementierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen entwickelt, Business Process Model and Notation (BPMN). Digitale Nachhaltigkeit entsteht hier durch leichte Nachvollziehbarkeit und verständliche Visualisierung. Die Fähigkeit zur Ausführung von BPMN-Modellen erlaubt eine ressourcenschonende Orchestration von Prozessbeteiligten, wie z.B. Personal, Internet of Things (IoT) Geräte, Robotic Process Automation (RPA) bots und Geschäftsentscheidungen.

Fazit

  1. Die Pharmaindustrie sollte sich mit BPMN beschäftigen, weil sich keine Notation gleichzeitig für Automatisierung, Visualisierung und leichte Nachvollziehbarkeit eignet.
  2. Industrie 4.0 und Data Integrity by Design sind die Grundlage zur Gewährleistung von Produktspezifikationen, sicheren Arzneimitteln und eine beschleunigte Zulassung von Medikamenten.
  3. Alle Labor- und Geschäftsprozesse können zentral orchestriert und integriert werden.

Prozesse mit einer standardisierten Notation machen pharmazeutische Entwicklungs- und Geschäftsprozesse transparent, messbar, automatisch ausführbar und steuerbar. Dieser Ansatz erlaubt es, den Regulierungsbehörden die Prozesse nachzuvollziehen und zuzulassen.

Die Vision einer schnelleren Zulassung von Medikamenten, reduzierter Risiken bei gleichzeitiger Einführung nachhaltiger Maßnahmen kann so verwirklicht werden.

Referenzen

[1] Herwig Buchholz, Thomas Eberle, Manfred Klevesath, Alexandra Jürgens, Douglas Beal, Alexander Baic, and Joanna Radeke. Forward Thinking for Sustainable Business Value: A New Method for Impact Valuation. Sustainability, 12(20):8420, October 2020.

[2] Henry Chesbrough and Marcel Bogers. Explicating open innovation: Clarifying an emerging paradigm for understanding innovation. New Frontiers in Open Innovation. Oxford: Oxford University Press, Forthcoming, pages 3–28, 2014.

[3] European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations. Business process model and notation (bpmn) version 2.0.2. https://www.omg.org/spec/BPMN/2.0.2/PDF.

[4] European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations. The pharmaceutical industry in figures. https://www.efpia.eu/media/554521/efpia_pharmafigures_2020_web.pdf.

[5] Martin Geissdoerfer, Doroteya Vladimirova, and Steve Evans. Sustainable business model innovation: A review. Journal of Cleaner Production, 198:401–416, October 2018.

[6] KPMG. Digitalization in life sciences. page 48, 2018.

[7] Chris Lo. Counting the cost of failure in drug development. Pharm. Technol. www. pharmaceutical-technology. com/features/featurecounting-the-cost-of-failure-in-drug-development-5813046, 2017.

[8] Jürgen Lücke, Mathias Badeker, Markus Hildinger, and Boston consulting group. Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2021, 2021.

[9] D Moher, A Liberati, J Tetzlaff, and DG Altman. Bevorzugte report items für systematische Übersichten und meta-analysen: Das prisma-statement. DMW-Deutsche Medizinische Wochenschrift, 136(08):e9–e15, 2011.

[10] Harini Narayanan, Martin F. Luna, Moritz Stosch, Mariano Nicolas Cruz Bournazou, Gianmarco Polotti, Massimo Morbidelli, Alessandro Butt ́e, and Michael Sokolov. Bioprocessing in the Digital Age: The Role of Process Models. Biotechnology Journal, 15(1):1900172, January 2020.

[11] World Health Organization. Report of the regional director: The work of the who regional office for Europe in 2020–2021. Technical report, World Health Organization. Regional Office for Europe, 2021.

[12] C. K. Prahalad Ram Nidumolu. Why Sustainability Is Now the Key Driver of Innovation. Harvard Business Review, September 2009. Section: Disruptive innovation.

[13] Stefan Schaltegger, Erik G. Hansen, and Florian Lu ̈deke-Freund. Business Models for Sustainability: Origins, Present Research, and Future Avenues. Organization & Environment, 29(1):3–10, March 2016.

[14] Thomas Scheper, Sascha Beutel, Nina McGuinness, Stefanie Heiden, Marco Oldiges, Frank Lammers, and Kenneth F. Reardon. Digitalization and Bioprocessing: Promises and Challenges. In Christoph Herwig, Ralf Portner, and Johannes Möller, editors, Digital Twins, volume 176, pages 57–69. Springer International Publishing, Cham, 2020. Series Title: Advances in Biochemical Engineering/Biotechnology.

[15] Copenhagen WHO Regional Office for Europe. E4As guide for advancing health and sustain- able development. Resources and tools for policy development and implementation. 1st Edition. December 2021.

[16] Olivier J. Wouters, Martin McKee, and Jeroen Luyten. Estimated Research and Development Investment Needed to Bring a New Medicine to Market, 2009-2018. JAMA, 323(9):844, March 2020.

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 4

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.

Katharina Paulick

Als Prozessberaterin und Ingenieurin interessiere ich mich vor allem für die Automatisierung und Optimierung von Prozessen. Ich habe umfassende Erfahrungen in der Planung und Leitung von inter- und transdisziplinären Projekten und wurde für kritische Nachhaltigkeit zertifiziert. Mein Ziel ist es, Abläufe zu optimieren, um höchste Prozessqualität zu erreichen. Näher habe ich mich mit Gerätekommunikation, Steuerung und intelligenter Automatisierung beschäftigt. Zuletzt habe ich ein Labor für machine-learning gestützte Automatisierung und Seminare für Entrepreneurship geleitet.

Lesedauer 6 Min
5
(4)
Anfrage senden

Fragen?
Nimm Kontakt zu uns auf!

Gerne stehen wir Dir für Fragen zum Thema Prozessmanagement, Automation sowie zu unseren Unternehmen und unseren Leistungen gerne zur Verfügung!
MINAUTICSStandort Berlin
MINAUTICS GmbH, Pappelallee 78/79 10437 Berlin, Germany
MINAUTICSStandort Ruhr
MINAUTICS GmbH c/o Kreativamt Jovyplatz 4 45964 Gladbeck, Germany
MINAUTICSSocial Media
Du findest uns überall im Netz, z.B. auf diesen Social Media- Plattformen

Bloggerei.de

Blogverzeichnis

Wie hilfreich war dieser Beitrag?

Klicke auf die Sterne um zu bewerten!

Durchschnittliche Bewertung 5 / 5. Anzahl Bewertungen: 4

Bisher keine Bewertungen! Sei der Erste, der diesen Beitrag bewertet.